Was haben eigentlich Headhunter und Immobilienmakler gemeinsam?
Kürzlich habe ich einen Kommentar gelesen, der mich nachdenklich gemacht hat:
„Headhunter, Immobilienmakler => Sack => Knüppel – unter 100 findest du einen guten“
Keine Frage, da hatte scheinbar jemand schlechte Erfahrungen sowohl mit Headhuntern als auch Immobilienmaklern gemacht. Ansonsten fallen mir nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Berufsgruppen ein. Allerdings beschäftige ich mich auch weniger mit der Vermarktung von Immobilien als mit der Frage, was einen guten Headhunter oder Personalberater ausmacht.
Einer unter 100 ist gut
Diese These scheint mir dann doch etwas gewagt, aber spielt am Ende auch keine Rolle. De fakto gibt es gute und weniger gute Personalberater. Konzentrieren möchte ich mich auf die guten. Was zeichnet sie aus? Ein guter Personalberater hat sich nicht nur eingehend mit den Anforderungen der vermittelnden Position auseinandergesetzt – er kennt auch den Kunden mit seiner übergeordneten Mission und seinen Werten. Diese gleicht er ab mit den Werten potentieller Kandidaten. Denn Stellen werden nicht von Maschinen mit bestimmten Funktionen besetzt, sondern von Menschen mit Fähigkeiten, Erfahrungen und Wertvorstellungen. Die Fähigkeiten und Erfahrungen sind dabei schnell ergründbar – das kann mitunter sogar bereits durch gute KI übernommen werden. Für den Abgleich von Werten und der Einschätzung des „social fit“ sieht es hingegen anders aus. Hierfür benötigt man – neben gut definierten Unternehmenswerten und etwas Erfahrung – vor allem gute Menschenkenntnis und Empathie.
Aber warum sind Werte im Bewerbungsprozess wichtig?
Kandidaten orientieren sich schon im Bewerbungsprozess an Unternehmenswerten und dem übergeordneten „Purpose“ ihres potentiellen Arbeitgebers.
Eine Studie der Job- und Recruiting-Plattform Glassdoor bestätigt dies. Befragt wurden mehr als 5.000 Angestellte und Jobsuchende in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA. Mehr als drei Viertel (76 Prozent) der Beschäftigten oder Jobsuchenden in Deutschland und Frankreich gaben an, sich nicht bei einem Unternehmen zu bewerben, dessen Werte nicht mit den eigenen übereinstimmen. Bei den US-Amerikanern sind es 70 Prozent, bei den Briten nur 69 Prozent.
Ich finde, das Ergebnis ist nicht überraschend, schließlich führen unterschiedliche Wertesysteme zwischen Unternehmen und Mitarbeitern zu Unzufriedenheit – auf beiden Seiten. Unzufriedenheit wiederum senkt die Leistung und führt oftmals zur Trennung.
Es liegt also auch im Interesse des Arbeitgebers, frühzeitig festzustellen, ob ein Kandidat in die Unternehmenskultur passt. Vor allem bei der Besetzung von Positionen mit geringer Kandidatenanzahl werden oftmals Kompromisse und Zugeständnisse beim „social fit“ eingegangen. Anders als fachliche Kompetenzen lassen sich Werte jedoch meist wenig entwickeln und verändern. Werden also bereits im Bewerbungsprozess die Werte des Kandidaten mit denen des Unternehmens abgeglichen, profitieren beide Seiten von Beginn an: im besten Falle kommen Mitarbeiter und Unternehmen zusammen, welche die gleichen Werte teilen.
Die Definition des Leitbilds ist Voraussetzung
Grundvoraussetzung ist allerdings, dass die Unternehmenswerte definiert, kommuniziert und natürlich gelebt werden. Das klingt erstmal banal, aber vor allem letzteres verlangt dem Unternehmen ab, sich intensiv mit sich selbst auseinanderzusetzten: Wofür stehen wir? Welche Ziele und Werte haben wir, wie leben wir diese und wo unterscheiden sie sich auch von denen anderer Unternehmen? Zu definieren, “uns ist Teamarbeit wichtig” reicht nicht. Es muss klar sein, was mit „Team“ gemeint ist. Welche Entscheidungen (sollen) durch das Team getroffen und getragen werden? Was passiert, wenn man sich im Team mal uneinig ist und wie und mit welchen Wegen wird dieser Konflikt dann gelöst?
Dieses Leitbild oder die Auseinandersetzung mit dem eigenen Wertesystem dient im Employer Branding und Bewerbungsprozess dazu, potentiell passende Kandidaten anzusprechen und auch für sich zu gewinnen. Um Mitarbeiter zu gewinnen, die die gleichen Werte teilen, müssen also zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Unternehmen sind sich erstens ihrer Werte überhaupt bewusst. Und sie leben sie zweitens auch tatsächlich spürbar für ihre Mitarbeiter. Ist einer dieser Punkte nicht erfüllt, dann wird auch ein guter Personalberater Schwierigkeiten haben, den „social fit“ eines Kandidaten professionell einschätzen zu können.